Zwei
Schauspiel
Produktion Schaustelle Halle,
www.schaustelle-halle.de
Regie: Stefan Ebeling
TheaterschaffT
Leipzig
Spieler: Conny Wolter
Musik: Michael Hinze
Choreografie: Ulrike Schauer
Bühnenbild/Kostüm: Thomas Blase
Produktionsleitung: Jana Huber
Regieassistenz: Clara Hofmann
Technik: Sven Suppan
im ehemaligen Kaufhaus Intecta in
Halles Innenstadt
Eine Frau, ein Mann und die Zuschauer - vielleicht die
Ur-Konstellation für Theater. Alfred Hitchcock behauptete, er sei einmal
nachts durch einen genialen Einfall für einen Film hoch-geschreckt,
hätte die Idee schnell notiert und sei gleich darauf wieder
eingeschlafen. Als er am nächsten Tag die Notiz betrachtete las er:
„Junge trifft Mädchen“.
Was
könnte interessanter sein? Neben der höchsten Sehnsucht lauert größtes
Konfliktpotential. Das Projekt „Zwei“ bewegt sich im Zentrum dieser
Gefahrenzone.
Wenn ich ich bin, weil ich ich bin
Und du du bist, weil du du bist,
dann bin ich ich und du bist du.
Wenn ich hingegen ich bin, weil du du bist
Und wenn du du bist, weil ich ich bin,
dann bin
ich nicht ich und du bist nicht du.
(Yasmina Reza)
Mitteldeutsche Zeitung,
ANDREAS HILLGER, 24.09.10
Manchmal entscheidet sich
ein ganzes Leben in einer Nacht: Ein falsches Wort am falschen Ort, eine
ungeschickte Geste - und schon mündet Liebe in eine Katastrophe. So ist
es auch Flora mit ihrem Edgar geschehen. Dabei hätten sie in ihrer
Hochzeitsnacht doch nur die Weinflasche nehmen und zum Strand laufen
müssen ...
Es ist eine hauchzarte, fragile Geschichte, die das freie Theater
Schaustelle Halle jetzt im ehemaligen Intecta-Einrichtungshaus in der
Großen Ulrichstraße erzählt. "Zwei" handelt von der Schwierigkeit, eins
zu werden und zu bleiben. Und folgerichtig ist hier - je nach
Perspektive - auch ein Ein- oder Zweipersonenstück zu besichtigen: In
der Regie von Stefan Ebeling und Ulrike Schauer erlebt man Conny Wolter
als Solistin. An ihrer Seite aber spielt Michael Hinze - und der ist
entgegen seiner Behauptung - mehr als nur der Pianist.
Es ist ein Vergnügen, dem Duo bei der Eroberung des grandiosen Raumes
zuzuschauen, dem Bühnenbildner Thomas Blase nur wenige Accessoires
hinzufügt. Das Wichtigste ist die Architektur mit ihren Treppen und
Galerien, mit ihrem weitläufigen Terrain und ihrem blätternden Charme.
Hier setzt die wunderbar wandelbare Conny Wolter die Splitter ihrer
Erinnerung zusammen, hier flirtet sie mit ihrem Publikum, schwankt sie
zwischen Abwehr und Begehren - und hier wird sie am Ende ihrer Träume in
eine Wirklichkeit ohne Edgar zurückfinden. Dabei sind die Übergriffe auf
die Zuschauer Teil des Konzeptes: Flora ermutigt ihre Gäste nicht nur,
mit einem Seitenblick den eigenen Wunschpartner in der Menge zu suchen.
Sie rekonstruiert mit ihnen auch die Phasen ihrer Begegnung und
Berührung mit Edgar, so dass sie zu Komplizen ihrer Geschichte werden.
Ihr wichtigster Partner aber ist jener Mann, der dem teilweise
präparierten Flügel von Anfang an eine Mischung aus schönen und schrägen
Tönen entlockt. Später verwandelt Hinze nicht nur die Kellner-Arbeit am
Beistelltischchen in ein percussionistisches Kabinettstück. Er lässt
auch die Kugel des Schicksals drohend über den Steinboden donnern und
steht wie ein begossener Pudel im Regen unter dem Fenster von Flora.
Neben dem fragmentarischen Bericht, aus dem sich das Scheitern der Liebe
erst allmählich herauskristallisiert, zeigt die tragikomische
Inszenierung auch das Gedächtnis der Körper: Conny Wolter verwandelt
kleine Bewegungsabläufe in choreografische Muster, die sie zitiert und
variiert - und sie tanzt auf der Showtreppe sogar das Unbehagen an einem
Kuss als großes Solo. So sorgt sie dafür, dass es ihrem Publikum selbst
in der Eiseskälte der großen Halle warm ums Herz wird.
Und als das schmerzlich schöne Ende dieser Miniatur erreicht ist, wird
man daran erinnert, dass jede Beziehung zwei Seiten hat. Denn dann
spricht Edgar (Mario Pinkowski) - als Bild aus einem Fernseher. |